Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich europaweit für den Schutz von Haus-, Nutz- und Wildtieren ein. Wie genau sehen die Hauptaktivitäten des Vereins aus?
Lea Schmitz: Der Deutsche Tierschutzbund ist ein Dachverband mit mehr als 740 angeschlossenen, örtlichen Tierschutzvereinen mit rund 550 vereinseigenen Tierheimen bzw. Auffangstationen. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist daher die Förderung des praktischen Tierschutzes vor Ort. Als Dachverband unterstützen wir die Arbeit in den Tierheimen: Ideell, etwa durch praktische Ratgeber und durch unsere Rechts- und Tierheimberatung. Und finanziell, etwa durch unseren Feuerwehrfonds, mit dem wir im Notfall schnell und unbürokratisch helfen können, zum Beispiel wenn ein Tierheim viele Welpen aus illegalen Transporten oder viele beschlagnahmte Tiere auf einmal aufnehmen muss.
An unserer Akademie für Tierschutz nutzen unsere Fachexpert*innen aktuelle Erkenntnisse, eigene Recherchen und Forschungsergebnisse sowie fachliche, wissenschaftliche Grundlagen als Basis für unsere Forderungen und Aktivitäten zum Schutz der Tiere. Dabei geht es sowohl um Haustiere, aber auch um Tiere in der Landwirtschaft, in der Natur und in der Forschung. Wir initiieren und begleiten auch Rechtsetzungsverfahren mit dem Ziel, die rechtlichen Grundlagen für den Tierschutz zu verbessern, und gehen auch selbst – wo möglich – rechtlich gegen Tierschutzverstöße vor.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die politische Arbeit, die die Kolleg*innen in unserem Berliner Hauptstadtbüro leisten – denn nur, wenn in der Politik die richtigen Weichen gestellt werden, kommen wir im Tierschutz voran. Wichtig ist ebenso die Öffentlichkeitsarbeit, denn nur wenn Tierschutzprobleme in der Bevölkerung bekannt sind, entsteht gesellschaftlicher Druck. Zudem zeigen wir so den Menschen Handlungsmöglichkeiten auf und geben Tipps, wie Tierleid verhindert werden kann. Wir vermitteln den Tierschutz auch nachfolgenden Generationen, indem wir die Kinder und Jugendlichen im Tierschutzbereich fördern und Tierschutzlehrer*innen ausbilden, die das Thema in die Schulen und Jugendgruppen tragen. Mit eigenen Leuchtturmprojekten und Mustereinrichtungen zeigen wir Wege auf, die zu mehr Tierschutz führen. So betreiben wir zum Beispiel in Schleswig-Holstein unser Tier-, Natur- und Jugendzentrum Weidefeld oder im ukrainischen Odessa ein Tierschutz- und Kastrationszentrum, das sich um Straßentiere kümmert und diese kastriert, um den Kreislauf der unkontrollierten Vermehrung zu durchbrechen und damit das Leid der Tiere zu minimieren.
Der Deutsche Tierschutzbund vergibt das sog. »Tierschutzlabel«. Welches Produkte werden damit gekennzeichnet? Nach welchen Kriterien wird dieses Siegel vergeben?
Schmitz: Das Tierschutzlabel »Für Mehr Tierschutz« gibt es mittlerweile für Schweinefleisch- und Hühnerfleischprodukte, aber auch für Eier sowie Milchprodukte. Langfristig soll das Label auf alle Tiere in der Landwirtschaft erweitert werden. Es gibt zwei verschiedene Stufen - eine Einstiegsstufe, die mit ihren Kriterien bereits über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, und eine Premiumstufe, die noch strengere Anforderungen vorgibt. Beide Stufen bieten ein wirkliches Mehr an Tierschutz, denn es müssen jeweils verbindliche Anforderungen an die Tierhaltung, den Transport und die Schlachtung eingehalten werden. So haben die Tiere mehr Platz, mehr Beschäftigung und Eingriffe am Tier – zum Beispiel die betäubungslose Kastration bei Ferkeln – sind verboten.
Was unterscheidet das »Tierschutzlabel« von Bio-Siegeln wie z.B. »Bioland« oder »Demeter«?
Schmitz: Die Tierhaltungsstandards der Bio-Produkte entsprechen ungefähr denen der Premiumstufe des Tierschutzlabels des Deutschen Tierschutzbundes. Die Kriterien des Deutschen Tierschutzbundes gehen jedoch darüber hinaus. Denn mit dem Tierschutzlabel wird die gesamte Kette abgedeckt - von der Zucht, über die Haltung der Tiere bis hin zu Transport und Schlachtung. Nur einzelne Bio-Verbände haben bislang weitgehende Anforderungen an die Zucht, den Transport oder die Schlachtung.
Nicht auf allen Produkten kann ich mich am Tierschutzlabel orientieren. Wie kann ich darüber hinaus als Verbraucher*in mit meinem Konsumentscheidungen Tierleid minimieren?
Schmitz: Tierliebe fängt beim Essen an und der direkteste Weg zu mehr Tierschutz ist natürlich eine vegane oder auch eine vegetarische Lebensweise. Viele Verbraucher*innen sind nicht mehr bereit, Tierleid in der industriellen Landwirtschaft weiter hinzunehmen und gehen diesen Weg. Wem dieser Schritt zu extrem ist, kann durch einen bewussten Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten, wie Eiern und Milch, ebenfalls schon viel dazu beitragen, Tierleid zu vermindern.
Verbraucher*innen sollten beim Einkauf von tierischen Produkten auf möglichst hohe Tierschutzstandards achten. Neben dem Tierschutzlabel »Für Mehr Tierschutz« kann man hier auf Produkte von NEULAND oder mit dem Bio-Siegel achten. Und man sollte sich fragen, ob es wirklich immer Fleisch oder Wurst auf dem Teller braucht. Ich sage ganz klar »Nein«: Es gibt so viele leckere vegetarische oder vegane Rezepte, die man auch als Fleischesser*in durchaus mal ausprobieren kann. Wir haben als Deutscher Tierschutzbund vor einiger Zeit das vegane Kochbuch »Tierschutz genießen« herausgegeben, das Anregungen liefert. Jede Mahlzeit zählt.
Was hat es mit der »Haustier-App« des Deutschen Tierschutzbundes auf sich?
Schmitz: Die offizielle App des Deutschen Tierschutzbundes ist seit Kurzem in den App-Stores kostenfrei verfügbar und richtet sich direkt an Hunde- und Katzenbesitzer*innen. Das Besondere: Man kann für die eigenen Vierbeiner ein Profil mit allen wichtigen Infos anlegen und erhält dann nur individuell abgestimmte Tipps aus den Bereichen Haltung, Erziehung, Pflege, Ernährung, Gesundheit und Reisen. Außerdem enthält die App Erste Hilfe-Tipps für den Ernstfall und weiß, was zu tun ist, wenn das Tier vermisst wird oder es ihm nicht gut geht.
Am 24. April ist der Internationale Tag des Versuchstiers, zu dem der Deutsche Tierschutzbund in den letzten Jahren bereits einige Aktionen ins Leben gerufen hat. Ist für 2019 auch etwas geplant? Wie hoch ist Ihrer Erfahrung nach bei Wissenschaftler*innen die Akzeptanz für tierversuchsfreie Methoden?
Schmitz: Zum »Internationalen Tag des Versuchstieres« werden wir auch dieses Jahr wieder die Öffentlichkeit über das Leid der Tiere in der Forschung informieren - und vor allem auch darüber, dass es Alternativen gibt. An diesen Alternativmethoden zu Tierversuchen müsste nur sehr viel stärker geforscht werden; mehr Geld müsste in die Hand genommen und zur Förderung zur Verfügung gestellt werden. In unserer Akademie für Tierschutz werden im eigenen Zellkulturlabor in Zusammenarbeit mit Behörden, Industrie und Hochschulen tierversuchsfreie Methoden weiterentwickelt, um die Abschaffung von Tierversuchen zu beschleunigen. Es ist möglich und es ist Zeit, dass alle Energie und alle Ressourcen auf dieses Ziel ausgerichtet werden.
Mit der Akzeptanz für neue Methoden ist es aber leider oftmals noch schwierig. Zwar gibt die EU-Tierversuchsrichtlinie den Ersatz von Tierversuchen durch tierversuchsfreie Methoden als langfristiges Ziel vor, allerdings setzen in Deutschland die Bundesregierung und Wissenschaftsgesellschaften bisher noch immer auf Tierversuche als Goldstandard. Zulassungsverfahren für Alternativmethoden sind schwierig und extrem langwierig. Zudem hapert es oft schon in der Ausbildung: Nachwuchswissenschaftler*innen an Universitäten bekommen vielfach gar nicht vermittelt, dass es neben den klassischen Tierversuchen auch Alternativmethoden gibt.
Wer sich auch beruflich für den Tierschutz einsetzen möchte, kann beim Deutschen Tierschutzbund eine Weiterbildung zur/zum Tierschutzlehrer*in absolvieren. An wen richtet sich dieses Angebot und welche Tätigkeitsfelder eröffnet das Zertifikat?
Schmitz: Das Angebot richtet sich unter anderem an die Mitarbeiter*innen von Tierheimen, Lehrer*innen und Erzieher*innen, aber auch an interessierte Privatpersonen. Ziel der Tierschutzlehrer-Weiterbildung des Deutschen Tierschutzbundes ist es, Menschen, die sich für den Tierschutz einsetzen, fachlich und didaktisch zu qualifizieren, um Unterrichtsbesuche von der Grundschule bis zur sechsten Klasse gestalten zu können. Die Schulen können sich dann direkt an die Tierschutzlehrer*innen wenden, um den Unterricht praxisnäher zu gestalten. Die Tierschutzlehrer*innen können beispielsweise AGs betreuen oder bei Projektwochen mitarbeiten.
Welche Möglichkeiten gibt es, mich ehrenamtlich für den Tierschutz einzusetzen? Wo gibt es regionale Geschäftsstellen oder kooperierende Einrichtungen und Organisationen?
Schmitz: Im Grunde sind alle Tierschutzvereine und Tierheime auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen. Eine typische Beschäftigung für einen Ehrenamtlichen wäre das Amt des Gassigehers. Besonders Menschen, die selbst Hunde halten oder einmal gehalten haben und die zu regelmäßigen Zeiten ins Tierheim kommen können, eignen sich. Für die Katzen werden oftmals sogenannte Katzenstreichler gesucht, die mit den Tieren schmusen und spielen – denn dafür bleibt den Tierheimmitarbeiter*innen oft nicht die Zeit. Aber auch für die Reinigung der Gehege, für Arbeitseinsätze im Außenbereich oder für Bürotätigkeiten sind die Tierheime oft sehr dankbar. Es werden auch immer wieder Handwerker*innen gesucht, die Umbauarbeiten im Tierheim mit ihrem Arbeitseinsatz und Know-How unterstützen können. Interessierte sollten sich am Besten direkt an das nächstgelegene Tierheim wenden und fragen, welche Art der Hilfe eventuell gebraucht wird.
Welche sonstigen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es, wenn ich selbst zu wenig Zeit für ein ehrenamtliches Engagement habe?
Schmitz: Wer seine Stimme für die Tiere erheben will, kann sich politisch engagieren, Petitionen unterstützen oder an Demonstrationen, zum Beispiel der jährlich im Januar stattfindenden Demo »Wir haben Agrarindustrie satt!« teilnehmen. Da Tierschutzvereine und -organisationen auch immer finanzielle Hilfe für ihre Tierschutzarbeit benötigen, kann man auch hier unterstützen: Mit einer Spende oder der Übernahme einer Tierpatenschaft. Neben Geld kann man den Tierheimen teils auch mit Futter- oder Sachspenden (für Decken oder Tierkörbe) helfen.
Eine weitere Möglichkeit, direkten Einfluss zu nehmen, ist das eigene Konsumverhalten. Wer auf Fleisch oder tierische Produkte verzichtet oder diese zumindest reduziert, tut bereits etwas Gutes für den Tierschutz. Auch beim Kauf von zum Beispiel Kleidung, kann man darauf achten, keine Produkte mit Pelz bzw. Pelzapplikationen oder mit Daunen zu kaufen.
Du willst mehr erfahren? Dann geht es hier zur Website des Deutschen Tierschutzbundes. sowie zur Website des Tierschutzlabels »Für Mehr Tierschutz«.