Nachhaltiges Design: Im Think Tank »ökoRAUSCH« gestalten Kreative nachhaltige Produktions- und Konsumwelten

Ein nachhaltig designtes Produkt sieht nicht einfach nur hübsch aus, sondern löst ein Problem auf sozial und ökologisch verträgliche Weise. Die Kölner Plattform »ökoRAUSCH« vernetzt Kreative mit nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen und schafft durch vielfältige Formate einen Raum zum Experimentieren mit innovativen Design- und Produktionsprozessen. Wir haben Dunja Karabaic, Projektleiterin bei »ökoRAUSCH«, zum Thema nachhaltiges Design interviewt.
Photo by Nikita Kachanovsky on Unsplash
von Charlotte Clarke, 20. September 2019 um 11:06

Mit ökoRAUSCH habt ihr einen Think Tank für Design & Nachhaltigkeit geschaffen. Welche Art von Projekten führt ihr durch?

Dunja Karabaic: Wir bieten viele verschiedene Formate an: Aktuelles findet man in unserem Blog – hier berichten wir über innovative Ideen, Konzepte und Projekte, die unsere Welt von morgen besser machen. Mit dem »ECO DESIGN FORUM«, einer Tagung für Fachpublikum, bieten wir jede Menge Wissen und Infos für Designer*innen, die auf der Suche nach Input zu den kreativen Seiten des Themas Nachhaltigkeit sind oder mehr darüber erfahren wollen, wie sie nachhaltig kreativ wirtschaften können. Hierzu gehört zum Beispiel dieses Jahr dann auch das »ECO DESIGN MEETS BUSINESS«. Dieses Jahr führen wir aber auch noch ein Online-Voting durch, bei dem man im Oktober über die ersten beiden Plätze der kommenden Ausstellung abstimmen kann. Denn Herzstück unserer Arbeit ist das »ökoRAUSCH Festival« für Design & Nachhaltigkeit, das wieder im Spätsommer 2020 stattfinden wird. Neben der Ausstellung bieten wir jede Menge Programm, um so viele Leute wie möglich für einen grünen Lifestyle zu begeistern.

Welche Kriterien erfüllt ein nachhaltig designtes Produkt? Inwieweit kann nachhaltiges Design auch mit wirtschaftlichen Zielen Hand in Hand gehen? Könnt ihr ein konkretes Beispiel nennen?

Dunja: Nachhaltig arbeitende Designer*innen schauen grundsätzlich über den Tellerrand und interessieren sich für die großen Zusammenhänge dieser Welt. Nicht die nächste Lampe ist dann zum Beispiel ihr Ziel, sondern sie stellen sich die Frage, was verändert werden muss, um so effizient wie möglich zu beleuchten – auch wenn es letztendlich sogar bedeutet, keine weitere Lampe zu kreieren.

Neben dem Produktdesign geht es genauso um die Gestaltung von Prozessen, unseres Miteinanders und unseren Umgang mit der Natur. Kreative können komplexe Zusammenhänge super runterbrechen. Gerade diese Fähigkeit wird zukünftig noch viel, viel mehr vonnöten sein, um mehr Menschen für Nachhaltigkeit zu begeistern.

.. und um die Frage nach der Wirtschaftlichkeit zu beantworten: Zu Beginn des Designprozesses stellt sich die Frage, welches Problem konkret durch das Design gelöst werden soll. Wenn dafür eine sinnvolle, ökologische und sozial verträgliche Lösung gefunden wird, ist ein Produkt auch wirtschaftlich nachhaltig. Dies beweisen die vielen nachhaltigen Konsumalternativen, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind. Aber man darf nicht aus dem Blick verlieren, dass es auch darum geht, unseren Konsum zu reduzieren. Statt 100 Dinge bei Billigmarken zu kaufen nur noch 1 – und die öko und fair. Nur wenn der Wert von Dingen wieder wächst, werden mehr Konsument*innen bereit sein, auch mehr Geld für einzelne Dinge auszugeben.

Foto: © Bozica Babic

Welchen Beitrag können Kunst und Design darüber hinaus zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten, z.B. in den Bereichen Bildung und Kommunikation?

Dunja: Viele Designer*innen und Künstler*innen nutzen ihre Kompetenzen dazu, Bildung kreativer zu gestalten und mit neuen Impulsen zu beleben. Sie überraschen mit innovativen und kreativen Ansätzen, um auch ein politisch vielleicht weniger interessiertes Publikum dazu zu bewegen, sich mit ökologischen, sozialen und globalen Themen auseinanderzusetzen.

Überall auf der Welt forschen, lehren und arbeiten Kreative, die Verantwortung im Design und in anderen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft übernehmen. Ihre Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu veranschaulichen, ist ein wichtiger Schlüssel, um mehr Menschen zu motivieren, immer weiter in Richtung eines sozial-ökologischen Lifestyles zu gehen.

Nachhaltig und fair produzierte Konsumartikel sind in der Regel deutlich hochpreisiger als Produkte, deren Herstellung nur geringe soziale und ökologische Standards erfüllen, so dass Erstere für viele Menschen einfach nicht erschwinglich sind. Welche wirtschaftlichen oder politischen Maßnahmen müssten deiner Meinung nach getroffen werden, damit nachhaltige Produkte für alle Einkommensschichten bezahlbar werden?

Dunja: Ja, eine absolut zentrale Frage, wie man Nachhaltigkeit so gestaltet, dass sie für alle finanziell tragfähig und im Alltag umsetzbar ist. Es sind zwei Aspekte besonders zu beachten: Zum einen die Tatsache, dass »konventionelle« Produkte nicht genug kosten! Wenn man die tatsächlichen Kosten des verwendeten Materials oder faire Löhne bei der Preisgestaltung zugrunde legen würde, wäre automatisch alles teurer. Daher muss hier die Frage umgedreht werden: Wie ist es überhaupt möglich, dass zum Beispiel ein T-Shirt nur 5 Euro kosten kann? Wer zahlt den Preis dafür?

Der zweite Aspekt betrifft unser Konsumverhalten. Solange geschicktes Marketing uns immer noch Produkte verkauft, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie brauchen, aber unbedingt haben wollen, kommen wir nicht aus diesem Kreislauf raus, in immer kürzeren Abstände neue Produkte zu kaufen, obwohl die alten noch ok waren.

Wir müssen Wirtschaft wieder anderes denken! Gute Wege bieten das Prinzip des Postwachstums oder die Gemeinwohl-Ökonomie. Es ist zudem dringend notwendig, dass seitens des Gesetzgebers echte Anreize geschaffen werden, damit die Industrie ressourcenschonende, langlebige und reparierbare Produkte herstellt. Nur so können sich nachhaltige Produkte auch durchsetzen.

Wer steht hinter dem Projekt ökoRAUSCH und wie finanziert ihr eure Arbeit?

Dunja: Wir sind ein eingespieltes Team, das in leicht wechselnder Konstellation seit über 10 Jahren zusammenarbeitet. Eine Form von Kollektiv mit flachen Hierarchien und jeder Menge Herzblut. Wir verfolgen als Plattform zur Förderung Nachhaltiger Entwicklung, insbesondere durch Stärkung von Nachhaltigkeit in der Kultur- und Kreativszene, keine wirtschaftlichen Ziele, so dass die Arbeit des ökoRAUSCH Think Tanks auf kommunaler und Landesebene unterstützt wird.

Im Rahmen eures aktuellen Projektes »ECO DESIGN MEETS BUSINESS« wollt ihr Designer*innen mit nachhaltigen Unternehmen und Design-Labels zusammen bringen. Was genau erwartet die Teilnehmenden?

Dunja: Mit unserem neuen Format »ECO DESIGN MEETS BUSINESS« treten wir erstmals als Matchmaker auf und fördern das kreative Potenzial und Know-how von Designer*innen, die ihren Schwerpunkt dem nachhaltigen Entwickeln und Produzieren widmen. Während der Exkursion wollen wir gemeinsam herausfinden, an welchen Stellen Kreative wirksame Impulse für die nachhaltigen Unternehmensziele einbringen könnten.

Das Format richtet sich zum einen an Designer*innen, die ihr Wissen, ihre Kreativität und ihre Erfahrung in nachhaltigem Design einsetzen möchten und diesen Mehrwert einem Unternehmen anbieten möchten, das vor der Herausforderungen steht, mehr Nachhaltigkeit zu etablieren. Hier sind vor allem die Exkursionen zu den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB Köln) als auch zu plastic2beans spannend.

Die Exkursionen zu den Designlabels esthétique und Fond Of richten sich eher an Designer*innen und andere Interessierte, die Kontakt zu Best Practices suchen, die bereits erfolgreich im nachhaltigen Wirtschaften und Produzieren sind und die sie einen Blick hinter die Kulissen werfen lassen.

Alle Exkursionen sind auf ca. 2 Stunden angelegt: Als erstes stellt sich das Unternehmen vor, aber dann haben auch die Teilnehmenden die Gelegenheiten, sich in einer mini Vorstellungsrunde zu präsentieren. Der Austausch steht danach im Mittelpunkt und wir moderieren als Gastgeber*innen, damit hier auch die Fragestellung, wie Kreative wirksame Impulse für nachhaltige Unternehmensziele einbringen können, im Fokus bleibt.

Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, um bei »ECO DESIGN MEETS BUSINESS« teilnehmen zu können? Dürfen sich z.B. auch interessierte Studierende für die Exkursionen anmelden?

Dunja: Es wäre sinnvoll, mit einem Designbackground an den Exkursionen teilzunehmen, weil man so besonders viel für sich rausziehen kann. Aber wir haben extra keine Kriterien formuliert, die den Zugang beschränken, damit auch ein guter Mix an Teilnehmenden dabei ist. Und interessierte Studierende sind auf alle Fälle herzlich willkommen!

Beim »ökoRAUSCH Festival« schafft ihr einen ganzen Monat lang einen Raum für Information und Vernetzung, in dem sich engagierte Menschen aus der Kreativszene inspirieren lassen können. Das nächste Festival soll 2020 stattfinden. Worauf genau dürfen sich die Teilnehmenden dieses Mal freuen?

Dunja: Das Thema Matchmaking, wie in der Exkursionsreihe »ECO DESIGN MEETS BUSINESS« eingeführt, wird auch beim nächsten »ökoRAUSCH Festival« eine Rolle spielen. Hierfür sind wir jetzt schon auf der Suche nach Unternehmen, die gemeinsam mit einer Designerin oder einem Designer an einer Problemlösung arbeiten und das Ergebnis - ob Konzept oder fertiges Produkt - dann in der Ausstellung 2020 präsentieren wollen.

Wir werden im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) nächstes Jahr die große Halle bespielen dürfen und nehmen gern diese tolle Herausforderung an, ein besonderes Konzept für die Ausstellungsarchitektur zu entwickeln. Hierbei sollen noch mehr als bereits umgesetzt, Aspekte wie Modularität, Wiederverwendbarkeit und Ressourcenschonung eine Rolle spielen!

Das nächste »ökoRAUSCH Festival« findet vom 28. August bis 24. September 2020 im Museum für Angewandte Kunst Köln statt.

Neugierig? Mehr Infos zu ökoRAUSCH und der Link zur Anmeldung zum Event »ECO DESIGN MEETS BUSINESS« auf der Website von ökoRAUSCH.

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