Mehr als nur Stellenanzeigen: “Jede Führungskraft muss sichtbarer werden” - Recruiting-Interview mit Henrik Zaborowski

Stellenanzeige geschaltet und keine passende Bewerbung bekommen? In unserer heutigen Zeit ist proaktives Handeln von Seiten der Unternehmen gefragt, um Talente für sich zu gewinnen. Wir haben mit dem Recruiting-Experten Henrik Zaborowski darüber gesprochen, was Sie über gewöhnliche Job Postings hinaus noch tun können, um neue qualifizierte Mitarbeitende auf sich aufmerksam zu machen.  

von Jana Hansl, 13. April 2025 um 12:00
Clem Onojeghuo on Unsplash

Wenn es um die Frage geht, wie Sie für Ihr Unternehmen langfristig Talente gewinnen, landen wir heutzutage ganz schnell bei Themen wie Führung und Unternehmenskultur. Zeitgemäßes Recruiting geschieht vor allem von innen heraus. “Sie müssen einfach ein guter Arbeitgeber sein”, sagt Henrik Zaborowski, Experte für nachhaltiges Recruiting. Doch was genau bedeutet das? Und vor allem: Wie können Sie das auch nach außen zeigen? 

Es steht und fällt mit guter Führung

Auf die Frage, was einen guten Arbeitgeber und eine zeitgemäße Führung charakterisiert, sind wir bereits im Podcast-Interview mit Henrik Zaborowski intensiv eingegangen. Zusammengefasst drückt er es so aus: “Der Schlüssel für zufriedene Mitarbeitende ist für mich: Vertrauen, Wertschätzung und Freiheit geben.” Diese Werte sollten auch von jeder Führungskraft im Unternehmen gelebt werden. “Schlechte Führung können Sie sich einfach nicht leisten, weder heute noch in Zukunft”, so Zaborowski. Eine rein fachliche Expertise oder jahrzehntelange Berufserfahrung seien nicht ausreichend, um Mitarbeitende zu führen, und Kontrolle sei dabei absolut kontraproduktiv: “Holen Sie Ihre Mitarbeitenden jetzt bitte nicht wieder alle ins Büro zurück. Das zerstört Vertrauen und Motivation.” Gerade jetzt, wo es schwierig wird, sei es wichtig, den Mitarbeitenden die Freiheit zu geben, über ihren Arbeitsort und Arbeitszeit selbst zu bestimmen, wenn das die Art des entsprechenden Jobs zulässt. Zaborowski rät, auf die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden zu vertrauen: “Es ist doch toll, wenn jemand um 11:00 zum Friseur gehen kann. Dafür arbeitet die Person dann später länger. Sie teilt sich ihre Arbeitszeit autonom ein.” 

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Führungskräfte als Unternehmensbotschafter:innen

Neben den nach innen gelebten Werten sei es auch essentiell, dass Führungskräfte nach außen hin sichtbar sind und sich ihre individuellen Netzwerke aufbauen, z.B. auf Social-Media-Plattformen wie LinkedIn. “Jede Führungskraft muss sichtbarer werden”, sagt Zaborowski, “geben Sie nicht die ganze Verantwortung an die Personalabteilung ab.” Diese Sichtbarkeit kann durch das Posten fachlicher Inhalte und kleine Einblicke in den Unternehmensalltag geschaffen werden. Wichtig dabei ist es, dass die Menschen dort draußen eine Idee davon bekommen, wofür die jeweilige Führungskraft steht, wie ihr fachliches Profil und ihre persönlichen Werte sind. Die Sichtbarkeit dieser Einzelpersonen und deren klare Mission sei noch viel wichtiger als die Unternehmensmarke. Denn wenn sich dann jemand für einen Job interessiert, ist ein gewisses Level an Sympathie und Vertrauen als Basis für eine gute Beziehungsebene bereits etabliert. Gerade bei Führungskräften, die einen hohen Einstellungsbedarf haben, sollte diese Art von Sichtbarkeit und Präsenz auf Online Karriere-Plattformen fester Bestandteil der Arbeit sein, so Zaborowski. 

“Vernetzen Sie sich auch mit allen Bewerbenden, die sie (noch) nicht eingestellt haben”, betont der Recruiting-Experte. Da Sie ja schon wissen, dass sich diese Menschen grundsätzlich für Ihr Unternehmen interessieren, kann es sich lohnen, diese nochmals zu kontaktieren, wenn eine passende Position frei wird. Auch generell rät Zaborowski dazu, proaktiv auf potenzielle Kandidat:innen zuzugehen und die erste Kontaktaufnahme so einfach wie möglich zu gestalten. Das kann zum Beispiel in Form einer persönlichen Nachricht auf LinkedIn an potenziell passende Kandidat:innen geschehen. Mit ein paar kurzen, relevanten Infos zum Job und zu sich selbst und dem Angebot, sich einmal informell darüber auszutauschen.

Auch im Vorstellungsgespräch sei es die Aufgabe der Führungskraft, die Bewerbenden zu überzeugen. 

Mitarbeitende als Unternehmensbotschafter:innen

Auf gar keinen Fall sei es zu unterschätzen, was Ihre Mitarbeitenden über Ihr Unternehmen sagen – insbesondere auf Plattformen wie beispielsweise Kununu. “Wenn du ein guter Arbeitgeber bist, dann sollte das auch auf Kununu sichtbar sein.”, so Zaborowski. Jobsuchende, die eine Stellenanzeige finden, die zu ihrem Profil passt, schauen nämlich dann sehr häufig erst einmal die Kununu-Bewertungen des Unternehmens an. Der Recruiting-Experte betont: “Dort sollte man wirklich gute Bewertungen haben.” Seine Empfehlung: Laden Sie Ihre Mitarbeitenden ausdrücklich dazu ein, Ihr Unternehmen auf Kununu zu bewerten. Das kann z.B. nach der Probezeit sein, im Mitarbeitergespräch und/oder durch regelmäßige Mailings, nach dem Motto: “Gefällt es dir gut bei uns? Dann bewerte uns auf Kununu.”

Der mit Abstand beste Kanal bzgl. Einstellungen und Bleibedauer sind laut Zaborowski bei den meisten Unternehmen Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Fragen Sie aktiv Ihre Mitarbeitenden, ob diese jemanden kennen, der/die gut zu einer offenen Position passen könnte. Sie können hier auch mit Bonus-Programmen und digitalen Tools arbeiten, die tracken, wer eine Stellenanzeige weitergeleitet hat. Wichtig ist, dass Sie Ihr Team dazu motivieren, bei der Kandidatensuche mitzuwirken, indem sie ihren Bekanntenkreis und ihre persönlichen Netzwerke mit einbeziehen. 

Kampagnen und Messen

Werbekampagnen und Ihre Präsenz auf Karrieremessen sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Egal ob online oder analog - Zaborowski betont: “Fragen Sie sich immer, wo ist Ihre Zielgruppe, also online und physisch, was ist für die interessant und wie komme ich mit denen in Kontakt?” Das gilt sowohl für Paid-Ads in den sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook oder Instagram als auch für analoge Kampagnen, wie Litfaßsäulen, Werbung in der S-Bahn oder Ihre Präsenz auf Fach- und Absolventenmessen. Wichtig ist, dass Sie eine klare Strategie haben, so Zaborowski. Seien Sie konsistent dort präsent, wo sich Ihre potenziellen Kandidat:innen tummeln, sowohl in der Offline-Welt als auch online. 

Reflektionsbereitschaft und Erwartungsmanagement

Seien Sie außerdem bereit, dazuzulernen und sich selbst zu hinterfragen: “Wenn Sie mit zwei Stellenanzeigen keine einzige Bewerbung erhalten, dann schalten Sie nicht noch eine dritte. Wenn Sie schon zwei, drei Dienstleister beauftragt haben und die keine passende Person gefunden haben, dann liegt es nicht an den Dienstleistern oder den Kandidat:innen, sondern an Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen.” Der Experte empfiehlt, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen und betont: “Die eierlegende Wollmilchsau, die sich viele wünschen, gibt es leider nicht.” 

Fazit

Erfolgreiche und nachhaltige Talentgewinnung beginnt nicht erst mit der Veröffentlichung einer Stellenanzeige – sie entsteht im Herzen Ihres Unternehmens. In der Kultur, den gelebten Werten und dem authentischen Miteinander. Machen Sie Ihre Führungskräfte zu echten Botschaftern Ihrer Arbeitgebermarke und schaffen Sie durch Vertrauen, Freiheit und Wertschätzung ein Umfeld, in dem Menschen nicht nur gerne arbeiten, sondern begeistert davon erzählen. Wenn Mitarbeitende Ihr Unternehmen aktiv weiterempfehlen, haben Sie bereits einen entscheidenden Schritt getan. Kombinieren Sie dies noch mit gezielter Präsenz bei Ihrer Zielgruppe und strategisch klugen Kampagnen, werden Sie als guter Arbeitgeber authentisch sichtbar  – und genau das ist der Schlüssel zur langfristigen Gewinnung von Talenten.

Fotografin: Lisa Leuchtmann

Über Henrik Zaborowski

Mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung im Recruiting inspiriert Henrik Zaborowski in seinen Vorträgen dazu, Recruiting und Nachhaltigkeit gemeinsam zu denken. Er wurde als „HR Top Voice 2023“ von Personio ausgezeichnet. Außerdem ist er Inhaber einer Personalberatung mit den Schwerpunkten CSR, HR und Tech und unterstützt seine Kunden beim nachhaltigen Finden von Talenten und der Etablierung nachhaltiger Recruitingprinzipien. 

Hier geht es zu Henriks Unternehmensberatung HZaborowski. Du kannst Henrik auch auf LinkedIn folgen. Hier geht es direkt zu Henriks Buch "Nehmt ein Boot!" Das kleine Buch der großen Recruitingweisheiten.

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