Wie „Loslassen“ gelingt: Nachfolge als Neustart und Aufbruch gestalten

Nachfolge ist einer der heikelsten Change-Prozesse in Unternehmen – emotional, persönlich, und voller unbewusster Stolpersteine, aber birgt auch unheimliche Chancen. Neben den finanziellen, steuerlichen und strategischen Themen spielt in meinen Augen die persönliche Komponente eine der größten Rollen. Hier erfährst Du, woran viele Nachfolgen scheitern, aber vor allem, wie sie gelingen können. Warum Loslassen so viel Zeit braucht und wie Du mit klaren Zuständigkeiten, offener Kommunikation und frühzeitigen Übergaben Energie freisetzt für den Beginn einer erfolgsversprechenden, neuen Ära.

von Carola von Peinen, 8. Dezember 2025 um 16:14
Foto von Ricardo Gomez Angel auf Unsplash

Die unbewussten Stolpersteine in der Unternehmensnachfolge

Nach 12 Jahren Gründung und Geschäftsführung bei Talents4Good habe ich ein neues Wirkungsfeld gefunden, das mich fasziniert: gelingende Nachfolgeprozesse in Unternehmen und Organisationen. Es betrifft nicht nur Gründer:innen, die in Rente gehen, sondern auch Menschen wie mich, die nach einigen Jahren merken: Es steht etwas Neues an. Und es ist auch ein gesellschaftliches Thema, denn in den nächsten Jahren stehen 30 % der Unternehmen in Deutschland vor der Übergabefrage. Es geht auch um Arbeitsplätze, wirtschaftliche Stabilität und einen großen Hebel für gesellschaftliche Transformation.

Gerade im Impact-Sektor, in dem Sinn und Werte zentrale Anker sind und Teams oft stark loyal zu den Gründer:innen oder langjährigen Geschäftsführer:innen stehen, sind Nachfolgen besonders heikel – und zugleich lohnend, weil eine bewusst gestaltete Übergabe die nächste, wirkungsstarke Ära einer Organisation erst möglich macht.

In jedem Fall ist es ein sehr persönlicher und emotionaler Prozess, das eigene Lebenswerk oder dein „Baby“ in andere Hände zu geben. Den meisten Menschen ist klar, dass es ums Loslassen und um Vertrauen geht. Aber wie so oft, steckt die Krux im Detail und in unbewussten Dynamiken.

Ob als Beobachterin im Netzwerk, bei Recruiting-Prozessen und nicht zuletzt durch die Erfahrung meiner eigenen Übergabe bei Talents4Good ist bei mir der Eindruck entstanden: Neben Finanzen, Steuern und Struktur sind es vor allem emotionale und menschliche Themen, die zum Scheitern führen. Hier ein paar Stolpersteine, die du im Blick halten solltest:

Stolperstein 1: „Ich brauche jemanden wie mich – nur besser“

Diesen Satz höre ich oft: „Wir suchen jemanden wie mich, nur mit den fehlenden Qualifikationen X, Y, Z.“ Klingt logisch, führt aber in die Irre. Denn mit deinem Abschied endet eine Ära. Eine neue beginnt – mit anderen Anforderungen. Die Frage lautet nicht: Wer ersetzt mich? Sondern: Wie soll die nächste Ära aussehen?

Stolperstein 2: „Alle müssen bleiben“

Viele werteorientierte Organisationen wollen, dass niemand geht. Gut gemeint, aber oft hinderlich. Ein echter Neustart zeigt sich auch daran, dass Menschen bewusst entscheiden: Bleibe ich, oder passt die neue Richtung nicht mehr zu mir?

 Stolperstein 3: Aufgaben erst übergeben, wenn die neue Person da ist

Viele warten mit Übergaben, bis die Nachfolge fix ist. Das erhöht den Druck in der Übergangsphase enorm. Idealerweise überträgst Du schon bis zu zwei Jahre vorher Verantwortung, wo es möglich ist. Vor allem Gründer:innen vereinen oft viele kritische Aufgaben bei sich, die ohnehin niemand 1:1 übernehmen kann.

Stolperstein 4: Nachfolge erzeugt Unsicherheit – bei allen

Die/der Gründer:in verlässt eine prägende Rolle und findet eine neue. Die Nachfolge tritt in große Fußstapfen mit weitreichender Verantwortung und fragt sich: Akzeptiert mich das Team? Kann ich allen Erwartungen gerecht werden? Das Team wiederum balanciert zwischen Loyalität zur scheidenden Person und dem Einfinden in den neuen Führungsstil. Diese Unsicherheit sollte aktiv adressiert werden – ggf. extern begleitet – um die wichtige Vertrauensbasis zu erhalten.  

Foto von Javier Allegue Barros auf Unsplash

Stolperstein 5: Den heiklen Prozess der Übergabe auf Sachthemen reduzieren

Sobald die neue Aufgabenteilung steht, fokussieren sich viele Organisationen auf die Übergabe der sachlichen Themen. Daneben schwingen aber einige weiche Faktoren mit, die oft nicht aktiv gesteuert werden und dann gefährliche Eigendynamiken entwickeln.

Hierauf möchte ich intensiver eingehen, da hier aus meiner Sicht das größte Potenzial für Missverständnisse und Verletzungen liegt und hier die meisten Übergabeprozesse scheitern.

Viele Organisationen haben das Gefühl, dass sie der ausscheidenden Person zu unendlicher Dankbarkeit verpflichtet sind und möchten ihr einen angenehmen Ausstieg ermöglichen. Wertschätzung gegenüber einem Lebenswerk ist natürlich angebracht und wichtig. Zugleich braucht die Nachfolge Raum für eigene Akzente. Diese Gratwanderung zwischen Wertschätzen, Bewahren und einem kraftvollen Neuanfang führt leicht zu Irritationen und unausgesprochenen Konflikten.

Ebenso „unmenschlich“ ist die Erwartung, die übergebende Person solle „einfach mal loslassen“. Ein Lebenswerk ist so viel mehr als ein Job. Die eigene Identität ist über Jahre in die Organisation eingeflossen und das eigene Unternehmen wird Teil der eigenen Identität. Wie viel Zeit Menschen brauchen, um mit dieser Lücke umzugehen, ist sehr individuell. Nachsicht und Geduld sind gefragt.

Um den emotionalen Themen in Übergabeprozessen gut zu begegnen, braucht es Räume für Austausch über persönliche Bedürfnisse. Dadurch verhindert man, dass die emotionalen Themen sich mit den Sachthemen vermengen. Hilfreich ist auch eine externe Vertrauensperson zu haben, die den Prozess begleitet und eine neutrale oder moderierende Position einnehmen kann, wenn ein Konflikt im Raum steht.

Ein persönliches Beispiel: Die Rückgabe des Berliner Büroschlüssels wurde für mich zum emotionalen Moment – der symbolische Schlusspunkt meiner aktiven Zeit bei Talents4Good. Obwohl mein Büro immer in München war. Ich war völlig überrumpelt von meiner eigenen Emotionalität. Hätte ich sie a) nicht erkannt und b) nicht benannt, hätte ich vielleicht komische Gründe gesucht, warum ich den Schlüssel weiter benötige. Und meine Nachfolgerin hätte das vielleicht als mangelndes Vertrauen interpretiert...

Das kannst du konkret tun, damit dein Unternehmen auch ohne dich weiter vor Energie sprudelt:

  • Zukunftsbild klären: Beschreibe die nächste Ära mit all ihren Potenzialen, die durch diese Veränderung entstehen. Welche Kompetenzen braucht deine Organisation in Zukunft?
  • Übergabe früh starten: Befähige Mitarbeitende und delegiere einzelne Schlüsselaufgaben 1-2 Jahre vor der Übergabe.
  • Rollen & Verantwortungen definieren: Wer entscheidet was – ab wann? Welche Übergangsrollen gibt es?
  • Wertschätzung und Neuausrichtung balancieren: Ehre das Erreichte – und mach den Weg frei für Neues. Damit die neue Energie sich ihren Weg bahnen kann.
  • Fehler- und Offenheitskultur stärken: Regelmäßige Räume für Fragen, Sorgen, Feedback. Damit Befindlichkeiten und Unsicherheiten ausgesprochen werden können und die Klarheit für die strategische und operative Neuausrichtung nicht gestört wird.
  • Unsicherheit adressieren: Es wird Wellengang geben – bereite dich und dein Team vor, so dass ihr gemeinsam sicher durchsteuern könnt.
  • Externe Begleitung einbinden: Für Dich und das Team: Hol dir Unterstützung für Emotionen, Konflikte und Struktur.
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Fazit

Nachfolge ist der wahrscheinlich heikelste Change-Prozess, den eine Organisation durchläuft. Es reicht nicht, Finanzen, Steuern und Recht zu regeln. Entscheidend ist, die Wellen der Veränderung zu antizipieren – und sie zu nutzen. Dann kann es ein kraftvoller Aufbruch werden.

Bei Talents4Good haben Annika und ich uns von Coachinnen begleiten lassen und zusätzlich eine Organisationsberaterin eingebunden. Jede:r hatte Raum für persönliche Themen, das Team wusste: „Da passiert etwas Großes – und wir werden mitgenommen.“ Für mich war es ebenso eine große Hilfe, diese Unterstützung im Hintergrund zu wissen.

Ein Kollege sagte mir neulich, am hilfreichsten sei gewesen, dass die wesentlichen operativen Aufgaben schon lange nicht mehr bei mir lagen und es viele Möglichkeiten gab, Fragen zu stellen. Genau das schafft Stabilität: Verantwortungen sind klar, Gespräche sind möglich, Emotionen haben Platz.

Diese und viele andere Erfahrungen fließen heute in meine Beratung rund um Nachfolgeprozesse ein – mit Fokus auf die zwischenmenschlichen Dynamiken und den Change-Prozess. Bei Bedarf kooperiere ich mit etablierten Organisationsentwickler:innen. Mehr zu meinem Angebot findest du hier: www.carolavonpeinen.de.

Noch eine nützliche Info: Das INQA-Förderprogramms unterstützt Unternehmen und gemeinnützige Organisationen bis 250 Mitarbeitende bis zu 80 % Förderung für derartige Prozesse. Buche dir gern einen kostenfreien Beratungstermin bei mir.

Über die Autorin

© Simon Veith

Carola von Peinen gründete 2012 nach neun Jahren in verschiedenen Positionen bei Randstad Deutschland mit weiteren Mitstreiter:innen die Personalberatung Talents4Good und entwickelte sie mit ihrem Team über zwölf Jahre zu einem relevanten Player für Personalberatung- und Vermittlung im Impact-Sektor. Das Leitmotiv: „Wir finden die besten Menschen für die wichtigsten Jobs.“ Ehrenamtlich engagierte sie sich in Politik und Wirtschaft für nachhaltiges Wirtschaften. 2024 übergab sie die Geschäftsführung an Annika Behrendt. Heute berät sie Unternehmen und Organisationen zu gelingender Unternehmensnachfolge – mit besonderem Blick auf die emotionalen und zwischenmenschlichen Prozesse.

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